Textauszug SGB IX - Praxishinweise

 

Neben Antragsvordrucken zum Herunterladen veröffentlichen wir hier (Seiten 155 bis 178) nun einen Auszug mit Genehmigung des Verlages aus:

SGB IX – Kommentar und Praxishandbuch
Bihr, Fuchs, Krauskopf, Ritz (Hrsg.)
Erschienen 2006 im
Asgard-Verlag
Dr. Werner Hippe GmbH
Einsteinstraße 10
53737 Sankt Augustin
www.asgard.de

 

§ 14 Zuständigkeitsklärung

(1) 1Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs. 4 des Fünften Buches. 2Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. 3Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt. 4Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 Feststellungen nach § 11 Abs. 2a Nr. 1 des Sechsten Buches und § 22 Abs. 2 des Dritten Buches nicht getroffen.
(2) 1Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest. 2Muss für diese Feststellung ein Gutachten nicht eingeholt werden, entscheidet der Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. 3Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 und 2 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die in Satz 2 genannte Frist beginnt mit dem Eingang bei diesem Rehabilitationsträger. 4Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen.5Kann der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, für die beantragte Leistung nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 sein, klärt er unverzüglich mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger, von wem und in welcher Weise über den Antrag innerhalb der Fristen nach den Sätzen 2 und 4 entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.
(3) 1Die Absätze 1 und 2 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. 2Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.
(4) 1Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Absatz 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften. 2Die Bundesagentur für Arbeit leitet für die Klärung nach Satz 1 Anträge auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zur Feststellung nach § 11 Abs. 2a Nr. 1 des Sechsten Buches an die Träger der Rentenversicherung nur weiter, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass der Träger der Rentenversicherung zur Leistung einer Rente unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage verpflichtet sein könnte. 3Für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Absatz 2 Satz 1 und 2 erbracht haben, ist § 105 des Zehnten Buches nicht anzuwenden, es sei denn, die Rehabilitationsträger vereinbaren abweichendes.
(5) 1Der Rehabilitationsträger stellt sicher, dass er Sachverständige beauftragen kann, bei denen Zugangs- und Kommunikationsbarrieren nicht bestehen. 2Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, beauftragt der Rehabilitationsträger unverzüglich einen geeigneten Sachverständigen. 3Er benennt den Leistungsberechtigten in der Regel drei möglichst wohnortnahe Sachverständige unter Berücksichtigung bestehender sozialmedizinischer Dienste. 4Haben sich Leistungsberechtigte für einen benannten Sachverständigen entschieden, wird dem Wunsch Rechnung getragen. 5Der Sachverständige nimmt eine umfassende sozialmedizinische, bei Bedarf auch psychologische Begutachtung vor und erstellt das Gutachten innerhalb von zwei Wochen nach Auftragserteilung. 6Die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf werden den Entscheidungen der Rehabilitationsträger zugrunde gelegt. 7Die gesetzlichen Aufgaben der Gesundheitsämter bleiben unberührt.
(6) 1Hält der leistende Rehabilitationsträger weitere Leistungen zur Teilhabe für erforderlich und kann er für diese Leistungen nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 sein, wird Absatz 1 Satz 2 entsprechend angewendet. 2Die Leistungsberechtigten werden hierüber unterrichtet.

Fuchs

 

Übersicht

 

 

Rn

1.

Entstehung der Norm

1

2.

Normzweck

2

3.

Regelungsbedarf

3

4.

Feststellung der Zuständigkeit

5

5.

Entscheidung über den Antrag

13

6.

Maximale Bearbeitungsdauer

15

7.

Verfahren von Amts wegen

17

8.

Kostenerstattung

19

9.

Beauftragung von Sachverständigen

21

10.

Einleitung beim zuständigen Träger

30

 

Auf CD- ROM:
Anh 5.3.1 Gemeinsame Empfehlung über die Ausgestaltung des in § 14 SGB IX bestimmten Verfahrens – Zuständigkeitsklärung – (§ 13 Abs. Nr. 2 SGB IX) vom 22. März 2004
Anh 5.3.2 vom Bundesversicherungsaufsichtsamt nicht genehmigte Fassung der Gemeinsamen Empfehlung über die Ausgestaltung des in § 14 SGB IX bestimmten Verfahrens – Zuständigkeitskeitsklärung (§ 13 Abs. Nr. 2 SGB IX) (Mai 2003)

    11. Entstehung der Norm.  Die Regelung wurde durch Art 1 SGB IX ab 1. 7. 2001 mit verschiedenen Änderungen des RegE (BT- Drucks 14/5531 iVm 14/5074) eingeführt. In Abs 1 S 4  wurde redaktionell das Wort “erfolgt” durch “werden Feststellungen getroffen” ersetzt und mit der Ergänzung um die Worte “und § 22 Abs 2 des Dritten Buches” eine entsprechende Prüfung aufgenommen. In Abs 4  S 2 wurde folgender S 3 angefügt: “Für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Absatz 2 S 1 und 2 erbracht haben, ist § 105 des Zehnten Buches nicht anzuwenden.” In Abs 5 S 1  wurden die Worte “und Kommunikationsbarrieren” aufgenommen. In Abs 5 S 2  wurden das Wort “wenigstens” durch “in der Regel” ersetzt und nach “Sachverständige” die Worte “unter Berücksichtigung bestehender sozialmedizinischer Dienste” angefügt. In Abs. 5 S 5  wurden nach dem Wort “sozialmedizinische” die Worte “bei Bedarf auch psychologische” eingefügt. Abs. 1 S 4 und Abs. 4 S 2 ab 1.1.2004 geändert durch 3.Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I S 2891). Abs 2 S 5 angefügt sowie Abs. 4 S 3 und Abs. 5 S 5 ergänzt ab 1.5.2004 durch Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.4.2004 (BGBl I S 606).

    22. Normzweck.  Die Vorschrift enthält ein für alle Rehabilitationsträger verbindliches Zuständigkeitsklärungsverfahren, das die möglichst schnelle Leistungserbringung gewährleisten soll. Abs 1  verpflichtet grundsätzlich den zuerst angegangenen Rehabilitationsträger zur Leistungserbringung. Stellt dieser kurzfristig seine Unzuständigkeit fest, hat er den Antrag unverzüglich an den dann auf jeden Fall leistungsverpflichteten Rehabilitationsträger weiterzuleiten. Abs 2  verpflichtet zur unverzüglichen Feststellung des Rehabilitationsbedarf und setzt Fristen innerhalb derer – ggfls nach Einholung eines Gutachtens – über den Antrag zu entscheiden ist. Nach Abs 3  gelten die in Abs 1 und 2 genannten Fristen und das dort geregelte Verfahren auch für die von Amts wegen zu erbringenden Leistungen. Abs 4  regelt die Erstattung der Aufwendungen, wenn ein unzuständiger Rehabilitationsträger Leistungen erbracht hat, sowie die Weiterleitung von bei der Bundesanstalt für Arbeit eingegangenen Anträgen. Abs 5  regelt die Einholung der den Entscheidungen zugrunde zu legenden Sachverständigengutachten sowie die Auswahl der Sachverständigen. Nach Abs 6 sind das in dieser Vorschrift geregelte Verfahren, wenn ein Träger Teilhabeleistungen für erforderlich hält, für die er nach § 6 nicht Rehabilitationsträger sein kann..

    33. Regelungsbedarf.  Die Behinderten und ihre Verbände, jedoch auch andere an der Rehabilitation Beteiligte (vgl Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Gutachten 2000/2001, Band III, 1 Ziff 143, 361, 370) haben immer wieder Schnittstellenprobleme beklagt, die sich in einer verspäteten Ausführung bzw nicht nahtlosen und nicht durchgängigen Versorgung mit erforderlichen Teilhabemaßnahmen niederschlugen und auf das gegliederte System zurückgeführt wurden. Die zur Lösung dieser Probleme gedachten Regelungen über Vorleistungspflichten (ua § 43 SGB I, § 6 Abs 2 iVm § 8 Abs 1 Nr 3 RehaAnglG) konnten offensichtlich die in sie gesetzten Erwartungen in der Praxis nicht erfüllen.

    4Diese Vorschrift enthält deshalb für die Teilhabe behinderter Menschen eine für alle Rehabilitationsträger abschließende Regelung, die den allgemeinen Regelungen zur Vorleistungspflicht (§ 43 SGB I) und den Leistungsgesetzen der Rehabilitationsträger vorgeht. Sie erfasst alle Fälle der Feststellung der Leistungszuständigkeit – auch bei Sucht- oder chronischen Erkrankungen – und gilt auch für Personen, deren Bleiberecht noch nicht endgültig geklärt ist. Ziel ist es, die bisher beklagten Schnittstellenprobleme durch ein ergebnisorientiertes, konsequentes, auf Beschleunigung gerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsklärung auszuräumen und eine möglichst schnelle Leistungserbringung zu sichern. Die zeitgerechte, zügige Erbringung von Leistungen zur Teilhabe liegt im Interesse der Leistungsberechtigten, jedoch auch der zuständigen Rehabilitationsträger, da eine verspätete Leistungserbringung in der Regel mit einem höheren Aufwand verbunden ist.

    54. Feststellung der Zuständigkeit.  Da grundsätzlich der zuerst angegangene Rehabilitationsträger die Leistungen erbringen soll, sind nach Abs 1  alle Rehabilitationsträger verpflichtet, innerhalb von zwei Wochen  nach Eingang eines Antrages auf Leistungen zur Teilhabe festzustellen, ob sie – unter Berücksichtigung vorrangiger Leistungszuständigkeiten anderer Rehabilitationsträger – für die Leistung zuständig sind (S 1). Nach § 7 S 2 richten sich die Zuständigkeit und die Voraussetzungen nach dem für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetz.
Es muss ein Antrag vorliegen, der auf eine Leistung zur Teilhabe gerichtet ist. Es reicht aus, wenn der Betroffene, ohne eine bestimmte Leistungsart zu benennen, verdeutlicht, dass er Leistungen im Sinne des § 5 begehrt Die Konkretisierung des Bedarfs ist Aufgabe des Rehabilitationsträgers nach § 10. Bei Hilfeersuchen mit allgemeinen Problembeschreibungen hat der Rehabilitationsträger ggfls. nach § 16 Abs. 3 SGB I auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken. Wird der Antrag bei einer Krankenkasse gestellt, erfasst die Prüfung innerhalb der Zweiwochenfrist nach dem zweiten Halbsatz auch die Feststellung, ob nach den für andere Sozialversicherungsträger geltendenden Vorschriften mit Ausnahme des § 31 SGB VI Leistungen zu erbringen sind (§ 40 Abs 4 SGB V). Die Regelungen nach § 139 SGB VII und die nach seinem Abs 4 getroffenen Sonderregelungen gehen im Verhältnis zwischen mehreren Unfallversicherungsträgern vor. Zum Antragseingang in gemeinsamen Servicestellen nach §§ 22, 23 vgl. Rn 15, wonach die Frist unabhängig von der organisatorischen Trägerschaft der Servicestelle für die Rehabilitationsträger beginnt, deren Mitarbeiter in der gemeinsamen Servicestelle tätig sind, während nach § 1 Abs 3 der gemeinsamen Empfehlung (Rn 28) die Zweiwochenfrist am Folgetag der Antragsaufnahme bzw. des Antragseingangs in der Servicestelle mit Wirkung für den Träger beginnt, dem die gemeinsame Servicestelle organisatorisch angehört .
Die Feststellung der Zuständigkeit umfasst die Prüfung des Trägers, ob er überhaupt zuständig sein kann (zB §§ 6, 7 S 2) und die Prüfung, ob er unter Berücksichtigung vorrangiger Leistungsverpflichtungen (zB § 40 Abs. 4 SGB V) auch tatsächlich zuständig ist. Die Feststellung der Unzuständigkeit erfordert zur Weiterleitung zudem die Prüfung, bei welchem anderen Rehabilitationsträger (§ 6) die Leistungsvoraussetzungen gegeben sind. Hierzu sind nach dem Untersuchungsgrundsatz alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu ermitteln und zu berücksichtigen (§ 20 SGB X). Ein Antrag kann danach in der Sache nur dann abgelehnt werden, wenn nach Auffassung des zuständigen Rehabilitationsträgers keiner der in § 6 genannten Rehabilitationsträger Teilhabeleistungen zu erbringen gehabt hätte, d.h. die Leistungsvoraussetzungen im Sinne des SGB IX nicht gegeben sind. Eine Ablehnung wegen Unzuständigkeit oder durch Verweis auf die Teilhabeleistungen anderer Träger ist unzulässig.

Werden Anträge nach § 16 Abs. 1 S 2 und Abs 2 SGB I von Leistungsträgern, die nicht Rehabilitationsträger sind, Gemeinden oder bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegen genommen, sind sie unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Für die Anwendung des § 14 gilt der Antrag zu dem Zeitpunkt als gestellt, in dem er bei der in S 1 genannten Stelle eingegangen ist (§ 16 Abs 2 S 2 SGB I). Werden Leistungsberechtigte nach § 51 SGB V oder 125 SGB III durch eine Krankenkasse oder ein Arbeitsamt zur Antragstellung aufgefordert, sind nicht diese zur Antragstellung auffordernden Rehabilitationsträger erstangegangene Träger, sondern der, bei dem zur Antragstellung aufgefordert wurde.

    6Erklärt sich der zuerst angegangene Rehabilitationsträger nicht innerhalb der Zwei- Wochen- Frist für zuständig, muss er den Antrag unverzüglich, dh alsbald innerhalb der Frist von zwei Wochen, spätestens jedoch mit Ablauf der Frist, dem Rehabilitationsträger zuleiten, den er nach dem Ergebnis seiner Prüfung für zuständig hält (S 2). Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs 1 BGB; BSGE 22, 187). Im Interesse der Betroffenen handelt es sich bei der Zweiwochenfrist um eine Ausschlussfrist, für deren Berechnung § 26 Abs 1 SGB X gilt. Unabhängig davon, aus welchen Gründen die Frist nicht eingehalten werden konnte (Ausnahme: Gutachten nach Abs 2), ist - auch im Falle von Versäumnissen und Versehen – die Leistung nach Abs 2 S 1 festzustellen. Um dabei im Interesse des Versicherten möglichst präzise und gesicherte Ergebnisse zu erzielen, aber auch den durch falsche Zuordnungen verursachten Verwaltungsaufwand möglichst gering zu halten, ist eine enge Zusammenarbeit der in Frage kommenden Rehabilitationsträger und ggfls auch eine Kontaktaufnahme [zB im Rahmen der gemeinsamen Servicestellen (§§ 22, 23)] geboten.

    7Nach S 3  ist entsprechend zu verfahren, wenn die Zuständigkeit ohne die vorherige Klärung der Ursache der Behinderung nicht innerhalb der Zwei- Wochen- Frist des Abs 1 festgestellt werden kann (zB wegen des in der Unfallversicherung oder nach dem Bundesversorgungsgesetz zu beachtenden Kausalitätsprinzips). Auch in diesen Fällen ist der Antrag – entsprechend S 2 - unverzüglich dem nach dem Ergebnis der Prüfung für zuständig gehaltenen Rehabilitationsträger zuzuleiten, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung nach dem für ihn geltenden Recht zu erbringen hat.

    8Da der Rehabilitationsträger, dem der Antrag nach S 2 oder 3 als zweitem Träger zugeleitet wird, nach S 3 letzter HS bzw nach Abs 2 S 3 – unabhängig von der tatsächlichen Zuständigkeit – auf jeden Fall den Rehabilitationsbedarf festzustellen, materiell über den Antrag zu entscheiden und die danach dem Berechtigten zustehenden Leistungen auszuführen hat, wird mit der Weiterleitung vom zuerst angegangenen Rehabilitationsträger an den zweiten beteiligten Rehabilitationsträger kraft Gesetzes  dessen Zuständigkeit bestimmt, sodass für die Anwendung sonstiger Vorleistungspflichten (zB § 43 SGB I) faktisch kein Raum mehr bleibt. Danach muss zB ein Unfallversicherungsträger den bei ihm eingegangenen Antrag an einen von ihm für zuständig gehaltenen Rehabilitationsträger weiterleiten, wenn er innerhalb dieser Frist nicht klären kann, ob der Anspruch auf Teilhabeleistungen auf einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit beruht. Leitet er diesen Antrag an einen Träger der Krankenversicherung weiter, obwohl an sich die Zuständigkeit eines Trägers der Rentenversicherung gegeben wäre, kann der Träger der Krankenversicherung den Antrag nicht erneut weiterleiten, sondern muss über den Antrag entscheiden und die Leistung ausführen.

    9Das OVG Hamburg (9.10.2003, ZfSH/SGB 2004, S 364 ff; 2.4.2004, ZfSH/SGB 2004, S 484 ff) hat zur Frage der Anwendung des § 43 SGB I neben § 14 zutreffend ausgeführt, dass § 14 die Rechtsstellung behinderter Menschen nicht schmälern sollte. Die Vorleistungspflicht des erstangegangenen Trägers bleibt danach anwendbar, wenn
-   die Leistung dringend ist und kein Träger rechtzeitig leistet,

-   einer oder mehrere Träger darüber streiten, ob überhaupt eine Teilhabeleistung vorliegt,

-   sich zwei Krankenkassen oder zwei Sozialhilfeträger um die Zuständigkeit streiten.

Damit wird auch der Tatsache Rechnung getragen, dass die Selbstbeschaffung nach § 15 SGB IX bei mittellosen Antragstellern, bei ungeklärter Rechtslage und im stationären Sektor wenig geeignet ist, effektive Hilfe zu erreichen.

   10Werden zielgenau Mutter/Kind- Leistungen beantragt (z.B. auf einem besonderen Vordruck), handelt es sich um Rehabilitationsleistungen nach § 40 SGB V, die auf die Ziele des § 27 Abs 1 S 1 SGB V ausgerichtet sind, für die die Rentenversicherungsträger oder ein anderer Träger von medizinischen Rehabilitationsleistungen nicht zuständig sein kann, weil es eine dem § 41 SGB V entsprechende Vorschrift in den Leistungsgesetzen der übrigen Rehabilitationsträger nicht gibt. Ein Verfahren nach § 40 Abs 4 SGB V verbietet sich vor diesem Hintergrund schon nach der Rechtslage, sodass die Krankenkassen ohne weiteres leisten können.
Ein anderes Ergebnis tritt ein, wenn die Krankenkasse bei der Feststellung des Rehabilitationsbedarfs nach § 10 SGB IX zu der Überzeugung gelangt, dass es sich trotz der gezielten Beschränkung des Antrages auf eine Leistungsausführung nach § 41 SGB V um einen über die Ziele des § 27 Abs 1 S 1 SGB V hinausgehenden Rehabilitationsbedarf im Sinne der §§ 1, 4 Abs 1 SGB IX handelt. Dann muss sie § 40 Abs 4 SGB V anwenden und den Antrag an den für zuständig erachteten Rehabilitationsträger weiterleiten. Der Antrag hat dann – im Einvernehmen mit dem Versicherten (das nach §§ 9, 10 SGB IX herzustellen ist) – nicht mehr den Charakter einer Mutter/ Vater- Kind- Maßnahme im Sinne des § 41 SGB V (besteht der Versicherte im Rahmen seines Wunschrechts nach § 9 darauf, die Leistung nach § 40 SGB V in einer Mutter- Kind- Einrichtung zu erhalten, darf dieser Wunsch nur dann abgelehnt werden, wenn die Mutter/Kind- Einrichtung nach ihrer Struktur- und Prozessqualität nicht geeignet wäre, den weitergehenden Rehabilitationsbedarf im Sinne der §§ 1, 4 Abs 1 SGB IX erfolgreich zu behandeln bzw. die Leistungserbringung in dieser Einrichtung unwirtschaftlich wäre. Dies gilt auch für die medizinischen Leistungen zur Rehabilitation der übrigen Rehabilitationsträger).
Gerade weil im Zuständigkeitsverfahren nach § 14 SGB IX die Art des Rehabilitationsbedarfs – und in den Fällen des § 41 SGB V auch die Art der Ausführung – im Benehmen mit dem Versicherten (§ 10 SGB IX) geklärt sein muss, um die Zuständigkeit zutreffend feststellen zu können, erweist sich das zweistufige Verfahren der Verordnungs- Richtlinie nach § 93 SGB V als ungeeignet. Der vorlaufende Vordruck ohne den Befundbericht ist völlig überflüssig, weil die Krankenkassen ohne den Befundbericht die Unterscheidung zwischen der allgemeinen Rehabilitationsleistung nach § 40 SGB V und dem spezifischen Bedarf nach § 41 SGB V nicht zutreffend klären können.

Für die Zuständigkeitsklärung bei Mutter/Vater- Kind- Maßnahmen ergeben sich weitere Auswirkungen aus der gemeinsamen Empfehlung zur Zuständigkeitsklärung, da in § 2 Abs 3 dieser Empfehlung ausdrücklich vorgesehen ist, dass eine Weiterleitung im Sinne des § 14 Abs 1 S 2 SGB IX nicht vorliegt, wenn ein Rehabilitationsträger einen Antrag erkennbar für einen anderen Rehabilitationsträger aufnimmt. Nimmt die Krankenkasse den Antrag auf Mutter- Kind- Maßnahmen nur als die “den Antrag aufnehmende Stelle” für die Rentenversicherung entgegen, obwohl dieser nach § 41 SGB V nicht zuständig sein kann, ist erstangegangener Rehabilitationsträger im Sinne des § 14 dennoch der Rentenversicherungsträger. Er darf den Antrag nur ablehnen, wenn keinerlei Teilhabeleistungen (auch nicht nach dem Recht anderer Rehabilitationsträger) erforderlich sind. Sind zwar keine Teilhabeleistungen nach dem Recht der Rentenversicherung möglich (weil die spezifischen Voraussetzungen des SGB VI noch nicht oder nicht mehr vorliegen), stellt der Rentenversicherungsträger aber im Rahmen der Prüfungen nach § 10 fest, dass Leistungen anderer Rehabilitationsträger (auch nach §§ 41 Abs 1 S 1 SGB V iVm 27 Abs 1 S 1 SGB V) benötigt werden, darf er den Antrag nicht ablehnen, sondern muss ihn innerhalb der Fristen des § 14 an die für zuständig gehaltene Krankenkasse weiterleiten, die dann als zweitangegangener Träger auf jeden Fall leistungspflichtig ist. In diesem Zusammenhang wird deutlich, wie wichtig mit Blick auf die kurzen Fristen die entscheidungsreife Vorbereitung des Antrages durch die gemeinsame Servicestelle ist (§ 22 Abs 1 Nr 5).

Nimmt dagegen die in der Trägerschaft der Krankenkasse stehende gemeinsame Servicestelle den Antrag entgegen, setzt dies nach § 1 Abs. 3 der gemeinsamen Empfehlung zur Zuständigkeitsklärung die Zwei- Wochen- Frist zur Klärung der Zuständigkeit nach § 14 Abs. 1 S 1 in Gang, weil die Krankenkasse dann erstangegangener Träger ist. Gibt sie den Antrag an den Rentenversicherungsträger ab, ist dieser zweitangegangener und damit kraft Gesetzes (§ 14 Abs. 2 S 3) für die Leistungserbringung zuständiger Rehabilitationsträger. Diese Leistungsverpflichtung besteht unabhängig von der in dem für diesen Träger geltenden Leistungsrecht geregelten Leistungsverpflichtung. Das heißt der Rentenversicherungsträger muss im Rahmen seines Auswahlermessens nach § 17 SGB IX die geeignetste Einrichtung für die Leistungsausführung wählen. Sind lediglich spezifische Leistungen im Sinne der §§ 41 Abs. 1 iVm § 27 Abs. 1 S 1 SGB V erforderlich, muss der Rentenversicherungsträger auf eine Einrichtung mit den spezifischen Angeboten des MGW oder gleichartiger Einrichtungen zurückgreifen, wenn er nicht über gleichwertige eigene oder Vertragseinrichtungen mit der für Mütter/Väter- Kind- Bedarfe spezifischen Prozessstruktur und - qualität verfügt und zwar auch dann, wenn er üblicherweise mit diesen Einrichtungen keine Verträge eingeht bzw. sie im Rahmen seiner eigenen Aufgabenstellung nicht belegt. In diesen Fällen besteht für den zweitangegangenen Rehabilitationsträger als unzuständiger Rehabilitationsträger ein Erstattungsanspruch gegen die Krankenkasse nach Absatz 4 S 3, weil allein die Krankenkassen Leistungen nach § 41 Abs 1 S 1 iVm § 27 Abs 1 S 1 SGB zu erbringen haben.

 

Da mit der Weiterleitung die Zuständigkeit gesetzlich bestimmt wird, handelt es sich um eine verbindliche Regelung des Einzelfalles, sodass die Weiterleitung als zu begründender Verwaltungsakt anzusehen ist (§ 31 SGB IX). Bei bestehenden Unterschieden im Leistungsrecht (zB Zuzahlung, Anrechnung von Einkommen oder Vermögen) kann die Weiterleitung im Einzelfalle eine Rechtsverletzung begründen (§ 42 Abs 2 VwGO) und in diesen Fällen die Befugnis zur Einlegung des Rechtsbehelfs auslösen. Da das Erstattungsverfahren ausreichend Rechtschutz bietet, ist der Rechtsweg zum Weiterleitungsakt im Verhältnis zwischen den Rehabilitationsträgern nicht gegeben.

   12Die Regelung in S 4  gewährleistet eine Verfahrensbeschleunigung bei der Bundesanstalt für Arbeit, weil deren Zuständigkeit (§ 22 Abs 2 SGB III) künftig nicht mehr davon abhängig gemacht wird, dass zunächst durch die Rentenversicherungsträger festgestellt werden muss, ob ohne die Leistungen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 11 Abs 2a Nr 1 SGB VI) zu leisten wäre. Die Bundesanstalt soll die Teilhabeleistungen bei Vorliegen der Voraussetzungen bewilligen und nachträglich diese Feststellungen im Erstattungsverfahren nach Abs 4 treffen.

   135. Entscheidung über den Antrag. Erklärt sich der zuerst angegangene Rehabilitationsträger für zuständig oder unterlässt er diese Feststellung nach Abs 1 S 1, leitet aber den Antrag auch nicht gemäß Abs 1 S 2 an einen anderen Rehabilitationsträger weiter, so hat er nach Abs 2  unverzüglich den individuellen Rehabilitationsbedarf (§ 10 Abs 1 S 1) festzustellen (S 1) und innerhalb von drei Wochen nach Eingang über den Antrag zu entscheiden (S 2), wenn für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs kein Gutachten eingeholt werden muss. Auch der Rehabilitationsträger, der einen Antrag nach Abs 1 S 1 und 2 als Zweiter erhält, hat innerhalb von drei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm über diesen Antrag zu entscheiden (S 3). Er ist auch dann verpflichtet, materiell über den Antrag zu entscheiden, wenn er sich dem Grunde nach für unzuständig hält und als zuerst angegangener Rehabilitationsträger den Antrag an einen anderen – seiner Überzeugung nach zuständigen – Rehabilitationsträger weitergeleitet hätte. Er ist nämlich durch diese Regelung an die mit der Weiterleitung durch den zuerst angegangenen Rehabilitationsträger nach Abs 1 erzeugte vorläufige gesetzliche Zuständigkeit (fiktive Zuständigkeit) gebunden, sodass eine zweite Weiterleitung unzulässig ist (BT- Drs 14/5074 S 102). Kann der als Zweiter angegangene Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 gar nicht zuständiger Rehabilitationsträger sein, weil die begehrte Leistung nicht Gegenstand seines gesetzlichen Leistungsauftrages ist (so können z.B. die Träger nach § 6 Abs 1 Nr 1, 2, und 4 keine Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 5 Nr 4 erbringen), hat er mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger unverzüglich zu klären (S 5), von wem und in welcher Weise über den Antrag innerhalb der Fristen nach den S 2 und 4 entschieden wird und den Antragsteller hierüber zu unterrichten. Da in diesen Ausnahmefällen der ausnahmsweise als Dritter (ggfls. im Rahmen der Klärung sogar als Vierter) angegangene Träger noch zur Entscheidung innerhalb der gesetzlichen Fristen verpflichtet wird, muss dieser Klärungsprozess in der der Regel außerhalb üblicher Verwaltungsverfahren unter Nutzung moderner Kommunikationstechnologien erfolgen. Der Gesetzgeber stellt damit zu der vom BMGS im Benehmensverfahren nach § 13 Abs 7 gerügten Regelung des § 3 Abs 3 der gemeinsamen Empfehlung nach § 13 Abs. 2 Nr 3 klar, dass die vor der Einführung des Satz 5 nicht zulässige Drittweiterleitung in dem spezifischen Ausnahmefall nunmehr zwar zugelassen wird, die damit verbundenen Entscheidungsprozesse jedoch an die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Fristen gebunden bleiben.
Die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs richtet sich nach den Grundsätzen des § 10 Abs 1 und umfasst den gesamten Bedarf, der zur Erreichung der Ziele nach §§ 1, 4 Abs 1 erforderlich ist. Soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrere Rehabilitationsträger erforderlich sind, obliegen dem Träger iS des Abs 2 S 1 auch die Koordinationspflichten nach § 10.

   14Nach S 2 verlängert sich die Entscheidungsfrist von drei Wochen nach Antragseingang ausschließlich dann, wenn für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich ist. In diesen Fällen ist nach S 4 über den Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen (Eingang beim Rehabilitationsträger) des Gutachtens zu entscheiden. Die Pflicht, innerhalb einer bestimmten Frist über einen Antrag zu entscheiden, beinhaltet den Erlass des Verwaltungsaktes (§ 31 SGB X), nicht jedoch dessen Bekanntgabe (Zugang) an den Berechtigten (§ 37 SGB X) innerhalb dieser Frist. Die in dieser Vorschrift genannten Fristen beginnen am Tag nach Eintritt des Ereignisses (Antrags- oder Gutachteneingang) und enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, welcher durch seine Benennung dem Tag entspricht, auf den das Ereignis gefallen ist (§ 26 SGB X iVm §§ 187 bis 193 BGB).

   156. Maximale Bearbeitungsdauer.  Da die Zwei- Wochen- Frist für die Feststellung der Zuständigkeit nach Abs 1 und die Drei- Wochen- Frist für die Entscheidung über den Antrag (Abs 2) nicht nacheinander, sondern parallel verlaufen, darf das Verwaltungsverfahren bis zur Entscheidung über den Leistungsantrag beim Rehabilitationsträger selbst  maximal drei Wochen (wenn der zuerst angegangene Träger zuständig ist und kein Gutachten benötigt wird), fünf Wochen (wenn der erste Rehabilitationsträger ein Gutachten oder wenn der als Zweiter beteiligte Rehabilitationsträger kein Gutachten benötigt) und maximal sieben Wochen (wenn der als Zweiter beteiligte Rehabilitationsträger ein Gutachten benötigt) umfassen.

   16Das gesamte Verfahren bis zur Entscheidung über einen Teilhabeantrag wird allerdings in der Regel einen längeren Zeitraum umfassen, weil der Zeitablauf von der erstmaligen Beratung in einer Servicestelle (§§ 22, 23) bis zum Eingang des Antrages beim Rehabilitationsträger vor Beginn und damit außerhalb der in dieser Vorschrift genannten Fristen liegt und ebenso wie die Zeitdauer von der Beauftragung eines Gutachtens nach Abs 2 S 3 (die ja innerhalb der Drei- Wochen- Frist des Abs 2 S 2 zu deren vorzeitiger Beendigung führt) und dem Beginn der Zwei- Wochen- Frist nach Eingang dieses Gutachtens (Abs 2 S 4) nicht Bestandteil der in dieser Vorschrift vorgegebenen Bearbeitungsfristen durch den Rehabilitationsträger ist (das Gutachten ist zwar innerhalb von zwei Wochen zu erstellen, es tritt jedoch der Postweg nach Erstellung des Gutachtens hinzu – vergl. Rn 28).
Ein Überschreiten der Bearbeitungsfristen löst die Mitteilungspflicht nach § 15 Abs 1 S 1 aus. Die Mitteilung ist zu begründen. Unterbleibt die Mitteilung über die Fristüberschreitung oder ist der Grund dafür nicht zureichend, löst dies das Selbstbeschaffungsrecht nach § 15 aus, wenn die dort genannten weiteren Voraussetzungen vorliegen.

   177. Verfahren von Amts wegen.  Die in dieser Vorschrift enthaltenen Bearbeitungsfristen für die Feststellung der Zuständigkeit und die Entscheidung über den Antrag sind nach Abs 3  auch dann einzuhalten, wenn ein Verfahren nicht durch Antrag des Berechtigten in Gang kommt, sondern von Amts wegen eingeleitet wird (S 1). Von Amts wegen können sich Verfahren aus der Anwendung des § 8 ergeben. Im Übringen erbringen die Träger der Unfallversicherung (§ 19 S 2 SGB IV), der sozialen Entschädigung, der Sozialhilfe und der Jugendhilfe Leistungen von Amts wegen.
S 2 enthält insoweit eine “Antragsfiktion”, als in diesen Fällen an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag tritt, an dem der Rehabilitationsträger erstmals Kenntnis von dem voraussichtlichen Rehabilitationsbedarf hatte. “Kenntnis von dem voraussichtlichen Rehabilitationsbedarf” zu haben, bedeutet nicht, dass aus einer Unterlage bereits ein konkreter oder ein auf eine bestimmte Leistung ausgerichteter Rehabilitationsbedarf ersichtlich sein muss, da der Rehabilitationsträger nach § 10 Abs 1 S 1 selbst dafür verantwortlich ist, die nach dem individuellen Rehabilitationsbedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen festzustellen. Für die Anwendung dieser Vorschrift reicht es danach aus, dass der Rehabilitationsträger aus einer ihm zugänglichen Unterlage unter Berücksichtigung der ihm zu unterstellenden Fachkompetenz erkennen kann, dass er seiner Verpflichtung zur Klärung und Feststellung des Rehabilitationsbedarfs nachkommen muss.

   18“Kenntnis erhalten” bedeutet, dass eine bestimmte Information in den Verantwortungsbereich des Rehabilitationsträgers, dh entweder an einen für den Rehabilitationsträger Handelnden oder in einen vom Rehabilitationsträger gestalteten und zu verantwortenden Verfahrensgang gelangt ist. Die Rehabilitationsträger verfügen seit Jahren über unterschiedliche Verfahren, über die Rehabilitationsverfahren eingeleitet und beschleunigt werden (zB Anschlussheilbehandlungsverfahren im Bereich der Renten- und Krankenversicherung, D- Arzt- und andere Verfahren im Bereich der Unfallversicherung). Gelangen Informationen über einen voraussichtlichen Rehabilitationsbedarf in ein solches Verfahren, so hat der Rehabilitationsträger grundsätzlich davon Kenntnis und kann auf diese Informationen zugreifen. Ob und wann er tatsächlich Kenntnis erlangt, hängt ausschließlich davon ab, dass der Rehabilitationsträger die seiner Verantwortung unterliegenden Verfahrensabläufe so gestaltet, dass sie ihm eine Nutzung dieser Kenntnis innerhalb der Fristen dieser Vorschrift gestatten. Ein Rehabilitationsträger kann danach auch bereits Kenntnis haben, wenn die Information den Sitz des Rehabilitationsträgers oder das Gebäude, in dem er die Bearbeitung vornimmt, noch nicht erreicht hat. Sind seine Mitarbeiter in einer Servicestelle nach §§ 22, 23 tätig oder nehmen andere Mitarbeiter einer Servicestelle Aufgaben für einen Rehabilitationsträger wahr, erlangt er Kenntnis, wenn die Informationen seinen Mitarbeitern oder den von ihm Beauftragten oder in seinem Namen Tätigen zugehen.

   198. Kostenerstattung. Abs 4  sieht eine Kostenerstattungsregelung für den Fall vor, dass nach Bewilligung einer Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Abs 1 S 2 bis 4 festgestellt wird, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist (S 1). In diesen Fällen hat der tatsächlich zuständige Rehabilitationsträger dem quasi “vorleistenden” dessen Aufwendungen in der Höhe zu erstatten, wie sie nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften angefallen sind. Es kommt also nicht darauf an, ob die erbrachten Leistungen den Anforderungen des zuständigen Trägers an die Bedarfsgerechtigkeit, Zielgerichtetheit und Wirksamkeit entsprochen haben oder besonderen, auf die spezifische Aufgabenstellung eines Trägers gründenden Anforderungen gerecht werden. Es ist auch nicht bedeutsam, ob der zuständige Träger die Leistungen auf der Grundlage seiner mit den Leistungserbringern bestehenden Preisvereinbarungen bei gleicher Qualität kostengünstiger erbracht hätte. Er hat die tatsächlich entstandenen Aufwendungen im Rahmen des für ihn geltenden Rechts zu erstatten, weil ihn die vom leistenden Rehabilitationsträger getroffenen Entscheidungen binden. Ermessenserwägungen über die Leistungsgewährung sind ihm grundsätzlich verwehrt (BSG SoZR 2200 § 184a Nr 5 zu § 6 Abs 3 RehaAnglG). Da § 102 Abs 2 SGB X für den Erstattungsumfang gleichlautend ist, können die hierfür geltenden Regelungen der §§ 107 bis 114 SGB X entsprechend angewandt werden (so auch Welti in Lachwitz/Schellhorn/Welti § 14 Rn 45).

   20Die Kostenerstattungspflicht wird durch den in S 3  enthaltenen Verweis auf § 105 SGB X eingeschränkt. § 105 SGB X sieht eine Erstattungspflicht durch den zuständigen Sozialleistungsträger auch dann vor, wenn ein unzuständiger Träger Leistungen außerhalb einer Vorleistungspflicht (§ 102 Abs 1 SGB X) erbracht hat. Ist ein Rehabilitationsträger nach Abs 2 S 1 nur deswegen leistungspflichtig, weil er es versäumt hat, seine Unzuständigkeit innerhalb der Zwei- Wochen- Frist festzustellen und den Antrag an einen für zuständig gehaltenen Träger weiterzuleiten, soll § 105 SGB X nicht greifen und eine Kostenerstattung ausgeschlossen sein. Diese Folge im Sinne einer “Strafvorschrift” ist schlüssig, weil die Kostenerstattungsregelung nur in den – der Erstattungsregelung bei Vorleistungspflicht nach § 102 Abs 1 SGB X entsprechenden – Fällen der gesetzlichen Fiktion einer vorläufigen Zuständigkeit der Fälle des Abs 1 S 2 und 3 greifen soll, wenn diese Fiktion sich im Nachhinein als rechtlich unzutreffend herausstellt. Damit will der Gesetzgeber verhindern, dass mit Blick auf eine generelle Erstattungssicherheit im Sinne des § 105 SGB X die rechtlich und fachlich gebotene Prüfung und Feststellung der Zuständigkeit nach Abs 1 dilettiert oder die Regelung gar für institutionelle Eigeninteressen (zB Steuerungsfunktion, Federführung etwa für die medizinische Rehabilitation) eingesetzt wird. In der Praxis hat dies gerade aus sachlich nicht vertretbaren Gründen, die der Gesetzgeber sanktionieren wollte, dazu geführt, dass die Weiterleitung oftmals ohne hinreichende Prüfung der Zuständigkeit vorgenommen wurde, um nicht auf “Kosten sitzen zu bleiben”. In der Literatur (Haines  in LPK- SGB IX § 14 Rn 24, Mehrhoff, BG 2001, 540, 542) wurde deshalb die Auffassung vertreten, dass § 14 Abs 4 Satz 3 von den Rehabilitationsträgern durch abweichende Verwaltungsvereinbarungen “abbedungen” werden könnte. Um Umgehungen des materiellen Gehaltes des Gesetzes durch die Rehabilitationsträger zu vermeiden, hat der Gesetzgeber solche Verwaltungsvereinbarungen mit der Ergänzung des S 3 um den letzten Halbsatz ausdrücklich gestattet.

   21Um den Verwaltungsaufwand bei der Rentenversicherung auf ein Minimum zu beschränken, sollen nach S 2  nur solche Anträge von der Bundesanstalt für Arbeit an die Rentenversicherungsträger zur Prüfung ihrer Zuständigkeit und einer Erstattungspflicht nach S 1 weitergeleitet werden, bei denen nach den eigenen Feststellungen der Bundesanstalt für Arbeit konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage eine Rentenzahlung aus gesundheitlichen Gründen möglich sein könnte (vergl. dazu Rn 9).

   229. Beauftragung von Sachverständigen.  Der Rehabilitationsträger hat nach Abs 5  sicherzustellen, dass er zur Feststellung des Rehabilitationsbedarfs Sachverständige beauftragen kann, bei denen Zugangsbarrieren nicht bestehen (S 1). Zugangsbarrieren in diesem Sinne sind nicht nur räumliche oder bauliche, sondern auch Kommunikationsbarrieren (§ 17 SGB I). Zur Barrierefreiheit im Einzelnen verg. §§ 4, 7 – 11 Behindertengleichstellungsgesetz vom 27.4.2002 (BGBl I S 1467). Die Wortwahl “Sachverständige” anstatt “Gutachter” oder “ärztlicher Gutachter” trägt der Tatsache Rechnung, dass die Feststellung des Teilhabebedarfs und die Entscheidung über die funktionsbezogen bedarfsgerechten Teilhabeleistungen neben medizinischem Sachverstand auch den Sachverstand anderer Wissenschaften (z.B. Psychologie, Pädagogik, Sozialwissenschaften) erfordern kann. Ob ein Sachverständiger geeignet ist, richtet sich deshalb insbesondere nach den Anforderungen, die sich im Sinne der ICF zu dem zu klärenden Sachverhalt ableiten.
Der Sicherstellungsauftrag zur Feststellung des Rehabilitationsbedarfs obliegt jedem einzelnen Rehabilitationsträger. Die Inhalte der Begutachtung sind jedoch – mit Ausnahme spezifischer Anforderungen aus dem jeweiligen Leistungsrecht — von den Rehabilitationsträgern weitgehend einheitlich und gemeinsam festzulegen. Sie müssen die gesamten für die Beurteilung des aktuellen Teilhabebedarfs erforderlichen Sachverhalte bezogen auf die körperliche, geistige und soziale Integrität, aber auch die der Aktivitäten und Partizipation erfassen, weil sie den Entscheidungen aller Rehabilitationsträger zugrunde gelegt werden sollen, soweit sie nicht durch später hinzutretenden Bedarf überholt sind (BT- Drs 14/5074 S 103). Die Regelung geht damit über § 96 SGB X hinaus. Die Rehabilitationsträger haben dazu gemeinsame Empfehlungen zur Begutachtung nach möglichst einheitlichen Grundsätzen (§ 12 Abs 1 Nr 4 – vergl dort Rn 8, 9) und darüber zu vereinbaren, wie die Leistungen zur Teilhabe zwischen den verschiedenen Trägern koordiniert werden (§ 13 Abs 2 Nr 5 – vergl dort Rn 14). Mit Blick auf die für alle Rehabilitationsträger geltende Zielsetzung der Rehabilitation (§§ 1, 4) muss die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs nicht nur auf die unmittelbar bevorstehende Leistungspflicht eines bestimmten Trägers, sondern auch auf die ggfls darüber hinaus gehenden Ziele des gleichen Trägers oder anderer Träger ausgerichtet sein (vgl auch § 10 Rn 5 bis 11, § 12 Rn 5).

   23Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, beauftragt der Rehabilitationsträger unverzüglich einen geeigneten Sachverständigen (S 2). Ein Gutachten ist erforderlich, wenn die dem Rehabilitationsträger vorliegenden Erkenntnisse und Unterlagen für die Entscheidung nicht ausreichen. Der Rehabilitationsträger ist verpflichtet , dem Leistungsberechtigten in der Regel drei wohnortnahe Sachverständige unter Berücksichtigung bestehender sozialmedizinischer Dienste (S 3) zu benennen. Dazu haben die Rehabilitationsträger mit einer ausreichenden Anzahl von Sachverständigen vertragliche Beziehungen zu unterhalten (BT- Drs 14/5074 S 103). Anderenfalls kann eine Amtspflichtverletzung vorliegen und ggfls. ein Herstellungsanspruch ausgelöst werden (Haines  in LPG- SGB IX, § 14 Rz 31).
Haben sich Leistungsberechtigte für einen bestimmten Sachverständigen entschieden, wird diesem Wunsch Rechnung getragen (S 4). Für die Ausgestaltung des Sachverständigen- Wahlrechts können die zum Wunschrecht nach § 9 Abs 1 entwickelten Grundsätze herangezogen werden, woraus auch ein Anspruch auf Erstattung der Kosten selbstbeschaffter Gutachten erwachsen kann (so auch Haines in LPK- SGB IX § 14 Rn 31). Der Rehabilitationsträger kann nur in Ausnahmefällen allein entscheiden, welcher Sachverständige die Begutachtung vorzunehmen hat. Da sich der Berechtigte nicht selbst einen Sachverständigen suchen, sondern nur zwischen drei vom Rehabilitationsträger Vorgeschlagenen zu wählen hat, kann der Rehabilitationsträger die grundsätzliche Eignung seiner Sachverständigen nicht in Frage stellen. Die Nichtberücksichtigung des Wunsches des Betroffenen kann demnach nur ausnahmsweise rechtmäßig sein, wenn Art und Schwere der Behinderung des Berechtigten oder die besonderen Umstände am Arbeitsplatz oder im gesellschaftlichen Umfeld einen Sachverständigen mit einer Fachkompetenz zur Beurteilung des Rehabilitationsbedarfs erfordern, über die die zur Auswahl gestellten Sachverständigen üblicherweise nicht verfügen. Im Übrigen können nach der Begründung des Regierungsentwurfs entsprechend der zu § 200 SGB VII entwickelten Praxis auf Antrag des Leistungsberechtigten auch andere geeignete Sachverständige herangezogen werden, die nicht in der Vorschlagsliste des Rehabilitationsträgers enthalten sind (vergl Haines in LPK- SGB IX § 14 Rn 29).

   24Der Bundesrat hatte im Gesetzgebungsverfahren daran erinnert, dass viele Rehabilitationsträger eigene medizinische Dienste oder sonstige Fachdienste unterhielten und es nicht zumutbar sei, diese nicht mehr vorrangig mit der Begutachtung zu beauftragen, vorausgesetzt die Wohnortnähe ist gegeben (BT- Drucks 14/5531 S 8). Der Gesetzgeber überlässt die Organisation der Sachverständigen völlig den Rehabilitationsträgern. Der Wortlaut “unter Berücksichtigung” bestehender sozialmedizinischer Dienste stellt klar, dass Sachverständige nicht allein aus diesen Diensten vorgeschlagen werden können. Gehören allerdings zwei von drei vorgeschlagenen Sachverständigen demselben Dienst an, ist dies nicht zu beanstanden. Dabei können die aus den Diensten Vorgeschlagenen auch unterschiedlichen Diensten angehören (zB Untersuchungsstelle eines Rentenversicherungsträgers, MDK).

   25Da der Gesetzgeber die Organisation der Begutachtung den Rehabilitationsträgern überlässt, gestattet es die Vorschrift auch, das Begutachtungsverfahren im Sinne eines gemeinsamen, wohnortnahen Rehabilitations- Screenings zu entwickeln, das mit Fachärzten, die eine Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung haben können, aber nicht müssen (zB Fachärzte für Sozialmedizin und Rehabilitation), auf vertraglicher Basis durchgeführt werden kann. Es bleibt abzuwarten, ob die Rehabilitationsträger diese Chance erkennen und aufgreifen.

   26Der beauftragte Sachverständige nimmt eine umfassende sozialmedizinische – bei Bedarf auch psychologische – Begutachtung vor und erstellt das Gutachten innerhalb von zwei Wochen (S 5). Die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf werden den Entscheidungen der Rehabilitationsträger zu Grunde gelegt (S 6).

   27Diese Regelungen verpflichten die Rehabilitationsträger nicht, ihre Entscheidung über die Teilhabeleistungen ausschließlich auf die Begutachtung nach dieser Vorschrift zu stützen. Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Regelung zwar das Ziel, verfahrensverzögernde und für die Betroffenen belastende Mehrfachbegutachtungen durch verschiedene Rehabilitationsträger soweit wie möglich auszuschließen (BT- Drucks 14/5074 S 102). Die Pflicht des zuständigen Rehabilitationsträgers, das Gutachten im Rahmen seiner Entscheidung in freier und gründlicher Beweiswürdigung im Hinblick auf Zuverlässigkeit und Rechtsgültigkeit zu beurteilen und notfalls ein zweites Gutachten einzuholen, wird dadurch nicht berührt (Benz, SGB 2001, 611, 614).
Erfordert die funktionsbezogene Feststellung der nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen (§ 10) eine über ärztliche und psychologische Leistungen hinausgehende Beurteilung und Stellungnahme anderer am Rehabilitationsverfahren beteiligter Berufsgruppen (Pädagogen, Sozialarbeiter usw) oder Dienste (zB Integrationsdienste), sind diese gutachterlichen Stellungnahmen einzuholen und ebenfalls zur Grundlage der Entscheidung zu machen. Selbstverständlich findet die in S 6 postulierte Bindung ihre Grenzen in der Verwertbarkeit des Gutachtens. Werden von einem Gutachten die Störungen, die einen Rehabilitationsbedarf begründen, nicht, nicht mehr oder nicht vollständig erfasst, weil zB die Behinderung oder ihre Ausprägung, aber auch ihre Auswirkungen auf die Teilhabe sich verändert haben, endet auch die Bindung.

   28Die Verpflichtung zur “unverzüglichen” Beauftragung der Sachverständigen und die gesetzliche Vorgabe einer Frist von zwei Wochen, innerhalb der der Sachverständige das Gutachten erstellt haben muss, unterstreichen die Ernsthaftigkeit, mit der der Gesetzgeber die Beschleunigung des Zugangsverfahrens zur Rehabilitation und Teilhabe betreibt. Das Gutachten muss innerhalb der Zweiwochen- Frist erstellt, aber noch nicht dem Rehabilitationsträger zugestellt sein; die Postwege nach der Erstellung liegen außerhalb der vorgegebenen Frist. Da in der Literatur der Beginn der Frist mit dem Folgetag des Auftragseingangs beim Sachverständigen (Welti  in Lachwitz/Schellhorn/Welti  § 14 Rn 37), aber auch mit dem Abschluss der Untersuchungen (Mrozynski § 14 Rn 43) angenommen wurde, hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Frist zur Erstellung mit der Auftragserteilung durch den Rehabilitationsträger beginnt, sodass der Postweg von der Auftragserteilung bis zum Eingang beim Gutachter in der Frist enthalten ist.

   29Letztlich stellt S 7  fest, dass die gesetzlichen Aufgaben der Gesundheitsämter durch diese Vorschrift nicht berührt werden.

   3010. Einleitung beim zuständigen Träger.  Die Verpflichtung des Rehabilitationsträgers nach Abs 1 S 2, für den Fall der eigenen Unzuständigkeit den Antrag unverzüglich an einen für zuständig gehaltenen Rehabilitationsträger weiter zu leiten, besteht nach Abs 6  auch dann, wenn ein Rehabilitationsträger bereits Leistungen erbringt, aber weitere Leistungen für erforderlich hält, für die er nach § 6 Abs 1 nicht Rehabilitationsträger sein kann. Abs 6 beinhaltet nicht die Möglichkeit des zuständigen Rehabilitationsträgers, seine Zuständigkeit für weitere Leistungen in Frage zu stellen, die nach § 6 zu seinen Aufgaben gehören. Abs 6 erfasst nur die Fälle, in denen ein bereits zuständiger Rehabilitationsträger andere, ebenfalls erforderliche Teilhabeleistungen deswegen objektiv nicht erbringen kann, weil ihm dafür die Zuständigkeit nach § 6 ausdrücklich nicht zugeordnet ist. Erkennen zB die Träger der Renten- und Krankenversicherung während der Ausführung von medizinischen Leistungen zur Rehabilitation einen Bedarf an Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 5 Nr 4), so können sie diese Leistungen keinesfalls erbringen, weil sie nicht Bestandteil ihrer Leistungsverpflichtung sind (§ 6 Nrn 1 und 4 beinhalten Leistungen nach § 5 Nr 4 ausdrücklich nicht; vgl § 6 Rn 9). Sie haben deswegen nach Abs 1 S 2 den für die Leistungen zur Teilhabe an der Gemeinschaft Zuständigen einzuschalten (S 1)  und den Leistungsberechtigten darüber zu informieren (S 2). Mit dieser Regelung wird das in § 10 Abs 1 S 2 enthaltene Beschleunigungsgebot konkretisiert. Sie entspricht der bisher in § 4 Abs 2 S 2 RehaAnglG enthaltenen Verpflichtung des unzuständigen Trägers, als notwendig erkannte Maßnahmen beim zuständigen Träger anzuregen.

   31Die Rehabilitationsträger sind nach § 13 Abs 2 Nr 3, letzter HS verpflichtet, eine gemeinsame Empfehlung über die Ausgestaltung des in § 14 bestimmten Verfahrens zu vereinbaren. Die Rehabilitationsträger haben dazu im Rahmen der BAR die “Gemeinsame Empfehlung über die Ausgestaltung des in § 14 SGB IX bestimmten Verfahrens (Gemeinsame Empfehlung zur Zuständigkeitsklärung)” am 27.3.2003 (vergl. Anhang 5.3.1) beschlossen und mit Wirkung vom 1.5.2003 in Kraft gesetzt. Im Einzelnen enthält die gemeinsame Empfehlung in
§ 1   Regelungen über den Fristbeginn für die Zuständigkeitsklärung nach Eingang bei einem Rehabilitationsträger (Abs 1), einem Träger Unfallversicherung, Sozialhilfe und Kriegsopferfürsorge (Abs 2) sowie einer gemeinsamen Servicestelle (Abs 3). Dabei liegt nach Abs 1 ein Antrag erst vor, wenn die zur Beurteilung der Zuständigkeit erforderlichen Unterlagen vorliegen und neben der Identität das konkrete Leistungsbegehren erkennbar ist (davon abweichend vergl Rn 5),
§ 2  Regelungen zur Weiterleitung von Anträgen spätestens am Tag nach Ablauf der Frist (Abs 1; vergl Rn 6 spätestens mit Ablauf der Frist), zur Begründung der Zuständigkeit durch Fristversäumnis (Abs 2), zum erstangegangenen Träger, wenn lediglich ein Antrag für einen anderen Träger aufgenommen wurde (Abs 3), zur Beurteilung von Anträgen nach §§ 51 SGB V, 125 SGB III (Abs 4) sowie dazu, dass Verfahrensabsprachen der Träger unberührt bleiben (Abs 5),.
§ 3 Regelungen zur Behandlung weitergeleiteter Anträge darüber, dass die Weiterleitung nur einmal zulässig ist und der als Zweiter angegangene Träger unbeachtlich seines Leistungsrechts leistungspflichtig ist (Abs 1), dass Integrationsämter einen weitergeleiten Antrag bei Nichtzuständigkeit nochmals weiterleiten dürfen (Abs 2), dass eine zweite Weiterleitung (rechtswidrig vergl. Rn 10) nochmals bei Beantragung einer nicht im Aufgabenspektrum nach § 6 enthaltenen Leistung zulässig sein soll (Abs 3), dass Weiterleitungen innerhalb einer Trägergruppe nach § 6 auch auf der Grundlage separater Verfahrensabsprachen (Abs 4) zulässig sein sollen. (Anmerkung: Abs 3 und 4 sind nicht mit Abs 2 S 5 vereinbar und müssten entsprechend der geänderten gesetzlichen Regelung überarbeitet werden),
§ 4 Regelung über die Weiterleitung bei ungeklärter Behinderungsursache, wobei konkretisiert wird, bei welchen geltend gemachten Leistungen die Anträge welcher Trägergruppen nach § 6 zuzuleiten sind,.
§ 5 Regelung über die Erstattung, wobei Abs 1 die gesetzliche Regelung (Abs 4 S 1) referiert, Abs 2 entgegen dem Wortlaut des Gesetzes einen Erstattungsanspruch unabhängig davon vorsieht, ob die Nichtzuständigkeit sich vor oder nach der Leistungsbewilligung herausstellt bzw. ob eine ursprünglich festgestellte positive Rehabilitationsprognose sich nicht bestätigt. Abs 3 äußert sich zum Umfang des Erstattungsanspruchs und zu den anzuwendenden Vorschriften des SGB X,
§ 6  die Feststellung, dass die Rehabilitationsträger bei der Begutachtung auf die Einhaltung der Fristen hinwirken,
§ 7 Ausführungen zum Inkrafttreten und zur Anpassungsbereitschaft.

Die Rehabilitationsträger haben zudem am 14.1.2002 eine – nicht in das Benehmensverfahren mit dem BMGS eingebrachte - “Verfahrensabsprache zu § 5 der Gemeinsamen Empfehlung zur Zuständigkeitsklärung” vereinbart, die mit Blick auf spezifische Zuständigkeitsregelungen in den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen verschiedene Zuständigkeitsvarianten insbesondere im Verhältnis der Unfallversicherungsträger zur Renten- und Krankenversicherung definiert und klärt (vergl. Anhang 5.3.2).

 

 

 

§ 15 Erstattung selbstbeschaffter Leistungen

(1) 1Kann über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb der in § 14 Abs. 2 genannten Fristen entschieden werden, teilt der Rehabilitationsträger dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig mit. 2Erfolgt die Mitteilung nicht oder liegt ein zureichender Grund nicht vor, können Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist setzen und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen. 3Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. 4Die Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. 5Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für die Träger der Sozialhilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge.
(2) Die Rehabilitationsträger erfassen,
1. in wie vielen Fällen die Fristen nach § 14 nicht eingehalten wurden,
2. in welchem Umfang sich die Verfahrensdauer vom Eingang der Anträge bis zur Entscheidung über die Anträge verringert hat,
3. in wie vielen Fällen eine Kostenerstattung nach Absatz 1 Satz 3 und 4 erfolgt ist.

Fuchs

 

Übersicht

 

 

Rn

1.

Entstehung der Norm

1

2.

Normzweck

2

3.

Fristgerechte Entscheidung

3

4.

Nachfrist

5

5.

Erstattungspflicht

8

6.

Träger der Sozial- und Jugendhilfe, Kriegsopferfürsorge

10

7.

Leistungen von Amts wegen

11

8.

Erfassungspflichten

12

 

    11. Entstehung der Norm.  Die Vorschrift wurde durch Art 1 SGB IX ab 1. 7. 2001 eingeführt. Sie wurde mit mehreren Änderungen des AuS- Ausschusses aus dem RegE (BT- Drucks 14/5531 iVm 14/5075) übernommen. In Abs 1 S 3  wurden die Worte “bis zur Höhe der Aufwendungen, die er selbst zu tragen hätte” gestrichen und die Worte “unter Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit” (BT- Drs 14/5800 S. 31) eingefügt. In Abs 1 S 5  wurden die Worte “S 1 bis 4” durch “Die Sätze 1 bis 3” ersetzt. Diese Änderung hatte der Bundesrat unter Hinweis auf die insoweit unstrittige Rechtslage in der Kinder- und Jugendhilfe gefordert (BT- Drucks 14/5531 S 8). Letztlich fügte der AuS- Ausschuss den gesamten Abs 2 an, um leichter nachvollziehen zu können, in welchem Umfang Betroffene Leistungen verspätet erhalten (BT- Drucks 14/5800 S 31).

    22. Normzweck.  Die Vorschrift eröffnet den Leistungsberechtigten unter bestimmten Voraussetzungen – über die von der Rechtsprechung anerkannten Fallgestaltungen hinaus – die Möglichkeit, sich die Leistungen selbst zu beschaffen, soweit der zuständige Träger die Leistung trotz Fristsetzung nicht rechtzeitig erbringt. Sie verpflichtet die Rehabilitationsträger in diesen Fällen zur Erstattung der Kosten der selbst beschafften Leistung und regelt die Voraussetzungen dafür (Abs 1). Die Rehabilitationsträger haben nach Abs 2  zur Dokumentation der Häufigkeit verspäteter Leistungsgewährung bestimmte statistische Merkmale zu erfassen.

    33. Fristgerechte Entscheidung.  Der Rehabilitationsträger hat den Leistungsberechtigten nach Abs 1 S 1  unter Darlegung der Gründe rechtzeitig mitzuteilen, dass er nicht innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang bzw innerhalb von zwei Wochen nach Eingang eines für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs erforderlichen Gutachtens (§ 14 Abs 2) über ihren Antrag auf Leistungen zur Teilhabe entscheiden kann. Der Gesetzgeber knüpft damit an das in § 14 geregelte Zuständigkeitsklärungsverfahren an. Er verwendet zur Bestimmung des Zeitpunktes, zu dem diese Mitteilung erfolgen muss, den unbestimmten Begriff “rechtzeitig”.

    4Die Aufgabenstellung der Servicestellen nach § 22 Abs 1 Nr 5, die Entscheidung des Rehabilitationsträgers so umfassend vorzubereiten, dass dieser nach Eingang des Antrages unverzüglich entscheiden kann – wie auch die Verpflichtung nach § 14 Abs 2, auf der Basis dieser umfassenden Vorbereitung innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden – zielen darauf ab, dass der Berechtigte längstens nach diesen drei Wochen aus einem Verwaltungsakt nachvollziehen kann, ob und welche Leistungen zur Teilhabe ihm gewährt werden. Damit wird die Verpflichtung des § 12 Abs 1 Nr 1, die im Einzelfall erforderlichen Leistungen nahtlos und zügig zu erbringen, hinsichtlich der bei der Einleitung zulässigen Zeitdauer des Verwaltungsverfahrens abschließend begrenzt. Vor diesem Hintergrund ist der Begriff “rechtzeitig” so zu verstehen, dass dem Berechtigten die Mitteilung des Rehabilitationsträgers nach S 1 spätestens zu dem Zeitpunkt zugegangen sein muss, zu dem ihm anderenfalls der nach § 14 Abs 2 zu erteilende Verwaltungsakt hätte zugehen müssen.

    54.  Nachfrist.  Unterlässt der Rehabilitationsträger die nach S 1 erforderliche Mitteilung über die nicht fristgerechte Entscheidung oder liegt kein hinreichender Grund für die Unterlassung der fristgerechten Entscheidung vor, können die Leistungsberechtigten dem Rehabilitationsträger nach Abs 1 S 2  eine angemessene Frist setzen und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf dieser Frist die erforderlichen Leistungen selbst beschaffen werden. Die vom Leistungsberechtigten gesetzte Frist muss angemessen sein, dh so realistisch bemessen sein, dass der Rehabilitationsträger unter Berücksichtigung der Postwege und der notwendigen Bearbeitungszeit objektiv in der Lage ist, innerhalb dieser Frist eine fachlich fundierte Antwort zu erteilen. Danach sind Fristen von weniger als 8 Tagen keinesfalls angemessen. Umgekehrt kann in jedem Fall die gesetzliche Frist von zwei Wochen für die versäumte Bedarfsfeststellung, d.h. der gleichen Frist wie die, die der Rehabilitationsträger ungenutzt gelassen hat, als angemessen angesehen werden. Im Übrigen setzt die Bestimmung einer zu kurzen Frist in jedem Fall eine angemessene Frist in Lauf (Palandt- Heinrichs, BGB, 57.A.,Rz.17 zu § 326 BGB). Auch wenn die Verpflichtung zur unverzüglichen Einleitung zweifelsfrei den Vorrang vor verwaltungsseitigen Problemen hat, kann nach Lage des Einzelfalles eine längere Frist unabdingbar und deswegen angemessen sein (zB bei der Beteiligung Dritter zur Klärung von Art und Umfang des Rehabilitationsbedarfs und der Rehabilitationsziele).
Die Anwendung der Vorschrift setzt voraus, dass die Rehabilitationsträger nach Sachlage überhaupt zur Leistung verpflichtet sind. Sind die Leistungsvoraussetzungen nicht erfüllt oder kann diese Frage gar nicht geklärt werden, weil der Berechtigte bei der Klärung des Rehabilitationsbedarfs (§ 14 Abs 2 S 4) seinen Mitwirkungspflichten (§§ 60 ff SGB I) nicht oder nicht ausreichend nachgekommen ist, liegt ein zureichender Grund für die Unterlassung der fristgerechten Entscheidung vor.

    6Hat der Rehabilitationsträger es trotz ausreichender Gründe versäumt, den Berechtigten zu unterrichten, löst die unterlassene Unterrichtung im Sinne des S 2, 1. HS für sich allein die Berechtigung für eine Selbstbeschaffung nicht aus, weil dem Rehabilitationsträger innerhalb der vom Versicherten nach S 2 gesetzten Frist die Möglichkeit eingeräumt ist, durch einen negativen Verwaltungsakt bei nicht gegebenen Leistungsvoraussetzungen oder einem Verwaltungsakt im Sinne des § 66 SGB I bei mangelnder Mitwirkung Rechtsklarheit herzustellen. Ist innerhalb der vom Versicherten gesetzten “Nachfrist” der Erlass eines Verwaltungsaktes nicht möglich, sollte der Rehabilitationsträger den Versicherten auf jeden Fall innerhalb der Frist darüber unterrichten, dass eine beantragte Leistung nicht erforderlich ist bzw die Leistungsvoraussetzungen nicht gegeben sind, um das Kostenrisiko bzgl der selbstbeschafften Leistung für den Behinderten möglichst gering zu halten (BT- Drucks 5074 S 103).

    7Beschafft der Berechtigte sich seine Leistung selbst, bevor die von ihm gesetzte Frist abgelaufen ist, entsteht ein Erstattungsanspruch nach S 3 nicht. Im Übrigen erscheint es mit Blick auf die vom Gesetzgeber erwartete Risikominderung über das nach dieser Vorschrift verpflichtende Handeln hinaus ohnehin geboten, dass die Rehabilitationsträger die Berechtigten während des gesamten Verfahrens sofort beraten und unterrichten, wenn für sie wahrnehmbar wird, dass sie sich Leistungen selbst zu beschaffen beabsichtigen, die keine Erstattungspflicht nach dieser Vorschrift auslösen können.

    85. Erstattungspflicht.  Der zuständige Rehabilitationsträger ist unter Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nach Abs 1 S 3  zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, wenn sich die Berechtigten die erforderlichen Leistungen nach Ablauf der von ihnen nach S 2 gesetzten Frist selbst beschaffen. Die selbst beschaffte Leistung muss erforderlich sein. Auch wenn die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung gegeben sind, ist nach den Umständen des Einzelfalles nur die Leistung erforderlich, die bedarfsgerecht und im Sinne der Ziele der §§ 1, 4 geeignet sowie entsprechend den qualitativen Anforderungen des § 20 wirksam ist. Zudem entspricht eine Maßnahme nur dann den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, wenn sie diesen Maßstäben gerecht wird. Nach dem während des Gesetzgebungsverfahrens geänderten Regierungsentwurf sollten den Berechtigten ursprünglich die Aufwendungen bis zur Höhe der Aufwendungen zu erstatten sein, wie sie der Rehabilitationsträger selbst zu tragen gehabt hätte. Die nach der jetzigen gesetzlichen Fassung notwendige Orientierung an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit stellt nach Auffassung des AuS- Ausschusses eine erweiterte, § 13 Abs 3 SGB V entsprechende Erstattungspflicht dar, die finanzielle Verluste der Betroffenen vermeidet. Danach können dem Berechtigten auch die über den eigenen Aufwand des Rehabilitationsträgers hinausgehenden Aufwendungen erstattet werden, jedoch nur, wenn sie “erforderlich” (S 3) bzw “notwendig” (§ 13 Abs 3 SGB V) gewesen sind, dh nach Art, Inhalt und Ausführung den Anforderungen des SGB IX entsprechen. D.h. dass der Rehabilitationsträger das Risiko der Verteuerung zu tragen hat, das darin besteht, dass sich der Leistungsberechtigte zwar die Leistung unter Beachtung der verkehrsüblichen Sorgfalt im Rahmen seiner Möglichkeiten so wirtschaftlich und sparsam wie möglich beschafft hat, dabei gleichwohl kein so günstiges Kostenergebnis erzielen konnte, wie es dem Rehabilitationsträger möglich gewesen wäre.

    9S 4  greift die nach der Rechtsprechung – und im Bereich der Krankenversicherung nach § 13 Abs 3 SGBV - ohnehin bereits bestehende Verpflichtung auf und räumt die Erstattungspflicht auch ein, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (Eilfälle) kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Ob eine Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde, wird sich letztlich erst im Rechtswege objektivieren lassen, sodass die Erstattungspflicht erst nach Rechtskraft eines entsprechenden Urteils oder ggfls auch eines Anerkenntnisses oder der Annahme eines Vergleichs wirksam wird. Unaufschiebbar ist eine medizinische Rehabilitationsleistung in der Regel nur dann, wenn Ziele im Sinne der §§ 1, 4 durch eine Verschiebung unwiederbringlich nicht mehr erreicht werden können oder die Wirksamkeit einer Maßnahme im Sinne dieser Ziele durch die Verschiebung dauerhaft beeinträchtigt wird.

   106. Träger der Sozial- und Jugendhilfe, Kriegsopferfürsorge.  Die Regelungen der S 1 bis 3 gelten nach S 5  nicht für die Träger der Sozial- und Jugendhilfe sowie der Kriegsopferfürsorge (ein Anspruch auf nachträgliche Leistungserstattung kollidiert mit dem Grundsatz “Keine Sozialhilfe für die Vergangenheit”!). Sie sind demnach nicht zur Unterrichtung des Berechtigten bei nicht rechtzeitiger Entscheidung verpflichtet (S 1). Die Berechtigten können ihnen keine Nachfrist setzen (S 2) und es wird auch keine Erstattungspflicht für selbstbeschaffte Leistungen ausgelöst, wenn keine Mitteilung erfolgt oder kein zureichender Grund für die unterlassene Entscheidung vorliegt (S 3). Dagegen findet S 4 nach der vom Bundesrat geforderten Änderung entgegen den Ausführungen in der amtlichen Begründung zu § 15 ausdrücklich auch auf die Träger der Sozial- und Jugendhilfe sowie der Kriegsopferfürsorge Anwendung, sodass auch sie zur Erstattung selbstbeschaffter Leistungen unter den in Rn 8 dargestellten Voraussetzungen verpflichtet sind, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen können oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt haben (BT- Drs 14/5800, S 31; 14/5531 S 8.).
Die Bestimmungen über den Anspruch auf vorläufige Hilfeleistungen nach dem Sozialhilferecht (bisher § 44 Abs. 1 BSHG) sowie vorläufiges Tätigwerden desJugendhilfeträgers (§ 86d SGB VIII) werden durch diese Regelung nicht berührt und können ausgeschöpft werden.

   117. Leistungen von Amts wegen.  Nach Abs 1 S 1 setzt die Anwendung der Vorschrift voraus, dass eine Leistung beantragt wurde. In der Unfallversicherung werden die Leistungen jedoch grundsätzlich von Amts wegen erbracht, ohne dass es eines Antrages des Berechtigten bedarf (§ 19 S 2 SGB IV). Die Leistungsgewährung durch die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung sowie durch die Bundesanstalt für Arbeit setzt demgegenüber nach § 19 S 1 SGB IV einen Antrag des Berechtigten voraus. Gleichwohl können auch bei diesen Trägern Teilhabeverfahren von Amts wegen eingeleitet werden (zB auf der Grundlage der §§ 8 bis 11, 14 Abs 3 SGB IX). Nach § 14 Abs 3 sind dessen Abs 2 und 3 sinngemäß anzuwenden, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs (§ 14 Abs 3 S 2). Da der Gesetzgeber mit dieser Antragsfiktion generell geklärt hat, welcher Zeitpunkt bei Leistungen von Amts wegen als Tag der Antragstellung anzunehmen ist und die §§ 14, 15 in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang stehen, bedurfte es in § 15 weder einer Wiederholung noch eines Querverweises. Bei den Regelungen des § 15 handelt es sich nämlich um die Folgeregelungen zu § 14 für die Fälle, in denen die Rehabilitationsträger die Fristen des § 14 nicht gewährleisten. Der unmittelbare Zusammenhang der Vorschriften ist im Übrigen durch die in Abs 2 geregelten Erfassungsvorschriften belegt. Danach ist die Vorschrift über die Erstattung selbstbeschaffter Leistungen hinaus auch auf Leistungsverfahren anzuwenden, die von Amts wegen eingeleitet wurden.

   128. Erfassungspflichten.  Alle Rehabilitationsträger einschließlich der Träger der Sozial- und Jugendhilfe sowie der Kriegsopferfürsorge haben nach Abs 2 Nr 1  zu erfassen, in wie vielen Fällen sie die Fristen nach § 14 nicht eingehalten haben. Da keine Beschränkung für die Fristen nach § 14 Abs 2 vorgenommen worden ist, bezieht sich diese Erfassungspflicht auf alle in § 14 genannten Fristen. Nach Nr 2  ist zu erfassen, in welchem Umfang sich die Verfahrensdauer vom Eingang der Anträge bis zur Entscheidung über die Anträge verringert hat. Die Erfassung nach den Nrn 1 und 2 macht entsprechend der Begründung des AuS- Ausschusses für die Einführung des Abs 2 (Rn 1) die Beurteilung möglich, “in welchem Umfang Betroffene Leistungen verspätet erhalten”. Die nach Nr 3  vorzunehmende Erfassung der Kostenerstattungsfälle nach Abs 1 S 3 und 4 ergibt einen Überblick über die Durchführung dieser Vorschrift. Die Rehabilitationsträger sind im Rahmen ihrer Berichtspflicht nach § 24 Abs 1 (Durchführung und Erfüllung ihrer Aufgaben) verpflichtet, die erfassten Daten der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation über ihre Spitzenverbände mitzuteilen. Die Erfassungsergebnisse nach Abs 3 sind zunächst Grundlage der nach § 13 Abs 2 Nr 3 über die Ausgestaltung des in § 14 bestimmten Verfahrens zu vereinbarenden gemeinsamen Empfehlung sowie der Beurteilung der Notwendigkeit einer nach dem Ergebnis der Erhebung ggfls vorzunehmenden Anpassung einer unzureichenden Empfehlung durch die Rehabilitationsträger, aber auch durch das BMGS im Vorfeld einer Aufforderung zur Änderung nach § 16. Im Übrigen dürften die Erhebungsergebnisse und deren Bewertung in die Evaluation der Regelungen des SGB IX im Rahmen der Aufgabenstellung des Beirates für die Teilhabe behinderter Menschen nach § 64 Abs 1 Nr 2 und in den bis zum 31. 12. 2004 zu erstellenden Bericht der Bundesregierung über die Lage und die Entwicklung der Teilhabe behinderter Frauen und Männer nach § 66 sowie in die von der Bundesregierung zu diesem Bericht vorzulegenden Vorschläge zur Weiterentwicklung der Teilhabe und des Teilhaberechts einfließen.